„Aber das war doch nur ein Online-Flirt mit ein bisschen Cybersex?“ Viele Menschen sind vollkommen überrascht, dass ihr(e) Partner(in) ein solches Chatverhalten direkt als Cybersex-Betrug auslegt. Wie kommt das zustande? Hier kommt ein wenig Licht ins Dunkle.
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Cybersex-Untreue und virtuelle Seitensprünge
Schön, wenn beide Partner vor dem Rechner sitzen und gemeinsam anregende Bilder und Filme betrachten oder mit anderen Paaren chatten. Das dürfte allerdings eher die Ausnahme sein. Cybersex ist in dieser Hinsicht weniger auf Paare denn auf Solisten ausgelegt.
Doch wie weit darf man dabei gehen?
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Was ist, wenn sie abends die x-te Folge einer Telenovela guckt? | Und er Gigabyte für Gigabyte Pornos anguckt? |
Oder sie vormittags im Chat mit anderen Herren anbandelt, möglicherweise Fotos von sich verschickt? | Während er im Schweiße seines Angesichts auf dem Bau malocht? |
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Virtuelle Seitensprünge, Cybersex-Betrug – das World Wide Web vermag Paare in bis dato unbekannte Krisen zu stürzen.
Oder der Beziehung und dem Sexleben frischen Schwung zu verleihen.
Der Skandal um den US-Abgeordneten Anthony Weiner hat diesbezüglich eine völlig neue Diskussion entfacht. Denn ganz so locker, wie ein harmloser, wenngleich erotischer Chat vielleicht scheint, sehen die meisten das Thema Cybersex nicht. Sie werten auch Fremdgehen im Web als Betrug und Verrat. Nicht körperlich, sondern gefühlsmäßig. Nur weil sich der Sex online und weitestgehend im Kopf abspielt, ist er nicht minder real. Auf der anderen Seite, sofern der Partner nichts davon mitbekommt oder sich nicht daran stört, wenn er oder sie mit anderen Personen flirtet oder virtuell intim wird? Dann kann ein Cybersex-Betrug die Partnerschaft auch beflügeln.
Eine von Soziologen initiierte Umfrage auf einem Seitensprungportal ergab interessanterweise folgendes Bild.
Online geführte Nebenbeziehungen – die übrigens in drei Viertel der Fälle zu „echtem Betrug“ führen – beeinflussen die Beziehung tatsächlich wider Erwarten positiv.
Dass Frauen im Alter von 30 bis 49 Jahren dabei deutlich aktiver sind als Männer? Liegt aus Sicht der Forscher schlichtweg an Angebot und Nachfrage. Nichtsdestotrotz sollte jeder die Grenzen kennen, an denen das Vergnügen zum Aus für eine Beziehung wird.
Die Folgen von Cybersex-Betrug – ein Beispiel
Der Bekanntenkreis und der Erfahrungsschatz lassen sich mit Cybersex zwar erweitern. Nur sollte man nicht erwarten, dass die virtuelle Welt hilft, die Einsamkeit oder gar soziale Ängste per Cybersex-Betrug zu überwinden. Der Versuch könnte gründlich in die Hose gehen und die eigentlichen Probleme noch verschlimmern.
Wer sich auf sexuelle Kontakte im Internet einlässt, ob nun im Chat, per SMS oder Video, muss auch im realen Leben fest verwurzelt sein.
Schon alleine deshalb, um nicht Hoffnungen zu erliegen, die wie Seifenblasen zerplatzen und die noch tiefer in die Isolation führen.
Ein 38-Jähriger aus Brisbane hat genau diese Erfahrung machen müssen. Der psychisch labile Mann sah keine Chance für sich, auf anderen Wegen mit Frauen zu sprechen oder sie zu treffen. Deshalb hatte er sich bei mehreren Seiten angemeldet, darunter auch Cybersex-Portale. Einige seiner Chatpartnerinnen müssen wohl erkannt haben, dass ihr virtuelles Gegenüber nahezu krampfhaft auf der Suche nach Liebe war. Folglich nutzen sie ihn schamlos aus. Erst baten sie ihn, auf andere Internetseiten zu gehen und ein paar Links zu klicken, damit sie sich ihr Studium finanzieren oder ein paar Cent verdienen können. Dafür gaukelten sie ihm vor, eine Beziehung mit ihm zu führen oder zumindest verliebt zu sein. Daraus entwickelte sich ein fataler Kreislauf. Der 38-Jährige füllte auf Anraten immer neue Formulare aus und merkte nicht, dass er Betrügern auf den Leim ging. Sie wurden seiner Kreditkarten- und Kontodaten habhaft. Aber eins belastete den Mann noch mehr. Sie hatten auch ein Video von ihm, das von seiner privaten Webcam beim Cybersex-Betrug aufgenommen wurde.
Nachdem er sich weigerte, immer mehr Geld zu bezahlen, landete der Film samt seiner Kontaktdaten auf Dutzenden Internetseiten. „Etwas in mir sagte, dass es falsch war, aber der Wunsch, sich mit anderen zu treffen überwog“, erklärt er im Nachhinein. Jetzt ist er schlauer, hat dafür aber ein hohes Lehrgeld zahlen müssen.
Die Polizei geht übrigens davon aus, dass es noch mehr Betroffene gibt, die anderen beim Cybersex vertraut haben. Und deren Vertrauen dann missbraucht wurde.
Leider wagen es nur wenige Opfer, Anzeige zu erstatten, aus Angst, unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Daher der Rat: Niemals persönliche Daten preisgeben. Sowie nur auf Seiten surfen, deren Betreiber Wert auf Sicherheit und ein faires Miteinander legen.
Gleichzeitig bleibt aber noch eine wesentliche Frage offen … hier ein Interpretationsvorschlag von Dr. Marty Klein:.
Was du selbst daraus machst und zu welchem Schluss du kommst, ist natürlich deine Sache. Aber ein erster Input kann ja nie schaden, oder?
Ist Cybersex echter Sex?
Es fing einmal ganz harmlos an.
Statt sich versaute Sachen in Briefen zu schrieben, oder am Telefon zu sagen, begannen sich Menschen, die sich garnicht kannten via Computertastatur zu erzählen, was sie gerne so miteinander anstellen würden.
Dazu konnte man im Internet viel eher Gleichgesinnte finden als am Telefon. Im echten Leben braucht man seine Cybersex-Partner gar nicht zu kennen. Und je mehr Angebote im Internet hinzu kamen, umso vielfältiger wurde der Cybersex. Sexting, Nacktfototausch, Videochats, Teledildonics und neuerdings 3D-Pornofilme über Videobrillen haben das Feld der virtuellen Sexualität enorm erweitert. Heutzutage wird kaum ein Mensch ganz ohne Erfahrungen mit Cybersex sein. Und auch Cybersex-Betrug steht zunehmend zur Debatte.
Wer Cybersex hat, ist vor allem auf seine Fantasie angewiesen.
Denn letztlich muss die Situation am Rechner oder Handyscreen nicht real sein. Wird man wirklich gerade von einem 18 Jahre alten Mädchen in Hotpants verführt? Oder verbirgt sich hinter der vermeintlichen Chat-Partnerin ein Mann im schmuddeligen T-Shirt? Sieht man wirklich einer echte Hausfrau Anfang 30 bei der Selbstbespaßung zu? Oder nur einer geschickt eingespielten Pornosequenz, während sich ein Haufen pubertierender Jungen totlacht über den Herren mittleren Alters, der da so innig ins Mikrofon stöhnt und glaubt, er habe eine Sex-Partnerin vor der Webcam?
- Manch einer empört sich über solche Fakes.
- Andere leugnen, dass ausgerechnet sie darauf hereinfallen und bevorzugen es, in ihrer Fantasie zu verbleiben.
- Und für wieder andere macht gerade diese Unsicherheit über die Realität den wahren Reiz aus.
Niemand kann vorhersehen, wie Cybersex das Leben seines Gegenübers beeinflusst bzw. wie dessen Leben überhaupt aussieht. Er bietet jedenfalls die Möglichkeit, sich an neue Dinge heran zu tasten, zu experimentieren und in der Sicherheit der Anonymität freier mit den eigenen Bedürfnissen umzugehen.
Cybersex bietet eine Chance
Die Chance uns selbst und die Kraft unserer sexuellen Phantasien zu entdecken, ohne Angst haben zu müssen, uns oder andere zu verletzen.
Daher nutzen viele die Möglichkeiten im Zeitalter des Internet als amüsante Ergänzung zu ihrer an sich befriedigenden sexuellen Beziehung im realen Leben. Manchmal auch mit dem Partner oder der Partnerin. Die Mehrheit derjenigen, die sich sexuelle Befriedigung im Cyberspace verschaffen, dürfte dies jedoch weniger aus Experimentierlust denn aus Notwendigkeit tun. Als Zyniker könnte man hoffen, der Cybersex gebe den Außenseitern dieser Welt einen Ort, menschliche Verbindungen zu testen und in der Praxis umzusetzen, sie schließlich zu realen Kontakten in der echten Welt zu befähigen. Genauso gut ist jedoch vorstellbar, dass durch den Komfort der schnellen Selbstbefriedigung vor dem Bildschirm jene Einzelgänger weiter in die Isolation getrieben werden.
Ist Cybersex denn nun echter Sex? Und ist das überhaupt wichtig?
Auf die zweite Frage gibt es die eindeutig leichtere Antwort: Ja. Es ist deshalb wichtig, weil jede Menge kulturelle Anforderungen an unser Leben darauf basieren, dass wir wissen, was tatsächlicher Sex ist. Und deshalb auch wissen, was kein entsprechender Sex ist.
Was also macht Sex aus?
- Der Orgasmus ist es schon einmal nicht. Jeder von uns hatte sicher schon einmal Sex, ohne zu kommen. Frauen unterschlagen den Orgasmus angeblich öfter, absichtlich oder auch nicht. Wenn Männer älter werden, müde – und auch weiser – tun sie es auch.
- Etwa der Geschlechtsverkehr im eigentlichen Sinn? Sex geht nur wenn der Penis in der Vagina war? Das kann es wohl auch nicht sein. Niemand wird in seiner Ehe mit der Ausrede durchkommen, es habe kein Fremdgehen stattgefunden, sondern nur ein Handjob. Oder ein Blowjob. Eben kein echter Sex und damit kein Fremdgehen. Nur juristische Winkelzüge können einem dann vor Gericht noch dazu verhelfen, dass man keinen Sex hatte. Und das auch nur, wenn man Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist.
- Ist denn wenigstens genitaler Kontakt erforderlich? Eigentlich auch nicht. Als wir jung waren, konnten wir küssen und streicheln und auch wenn wir noch so sehr wünschten, es wäre mehr passiert, dachten wir, den besten Sex unseres Lebens gehabt zu haben.
- Aber im selben Raum muss man doch gewesen sein, oder? Nun, dies dürfte schon in Zeiten des Briefs und dann des Telefonsex durchbrochen worden sein. Wie viele Menschen in Fernbeziehungen waren auf das Hören ihrer Stimme angewiesen? Am Ohr die flüsternden Liebesworte des geliebten Menschen, während die andere Hand tut, was die Entfernung verwehrt.
Das soll kein echter Sex sein?
Offensichtlich ist auch tatsächlicher Sex also mehr, als das, was die Körper tun. Es geht darum, die erotische Energie zu spüren. Seine Gefühle aufzutanken und zu kanalisieren. Und für viele Menschen ist es ein tiefes Gefühl der Verbundenheit.
Deshalb kann Sex durch Telefone erlebt werden und auch durch Computerleitungen.
Sex haben ist im Grunde genommen eine unpräzise Formulierung. Sexuell sein trifft es besser, weil Sex etwas ist, was erlebt wird, keine Sache, die man besitzt und verbraucht. Dazu benötigt man nicht einmal einen Partner, der gleichzeitig sexuell ist.
Traditionell wird Sex gewiss als Beteiligung oder Austausch verstanden. Aber das hieße ja nur, die Ware zu teilen. Das Erleben von Sex braucht keinen Partner, deshalb ist Masturbation kein Ersatz für Sex, sondern ist Sex selbst. Es ist Sex unabhängig von der Tatsache, dass niemand sonst beteiligt ist, außer dem sexuellen Menschen selbst.
Und damit ist Cybersex eben wirklicher Sex. Er ist Sex, weil die Praktizierenden ihre eigene erotische Energie erleben.
Sie können sie teilen oder auch nicht, mit einer realen Person oder auch nur mit ihrer Fantasie. Es spielt keine Rolle. Sicher wirft dies für den Praktizierenden von Cybersex im Hinblick auf Cybersex-Betrug schwierige Fragen auf.
Er muss sich darüber im Klaren sein, das gegenüber einer festen Partnerin oder einem Partner ein echtes Hintergehen vorliegt und die Betroffenen wissen das natürlich auch.
Man tut es in den meisten Fällen schließlich heimlich. Oder aber im Einvernehmen, dann ist alles genauso unkompliziert wie der gemeinsame Besuch eines Swingerclubs. Letztlich ist der Cyber Sex nur eine weitere Entwicklungsstufe der menschlichen Sexualität. Ein neuer Erlebensraum, eine neue Erfahrung. Wie eben jedes neue Medium alle bisherigen Horizonte erweitert.
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