Im Prinzip gab es die virtuelle Erotik bereits lange vor dem Cybersex. Vor Jahrhunderten haben sich bereits Liebespaare heiße Briefe geschrieben, später bot das Telefon alle Möglichkeiten der erotischen Kommunikation. Mit dem Telefon kam auch recht bald der Telefonsex auf. Hier waren es dann häufig keine Paare, die sich für diese Form virtueller Erotik verabredeten. Viele professionelle Anbieter/innen boten ihren Service über Tageszeitungen und einschlägige Magazine an. Und wer hat nicht die eindeutigen Werbespots vor Augen, die nachts das Privatfernsehen geflutet haben?
Eine Win-win-Situation für beide Seiten, denn für erotische Abenteuer mussten beide das Haus nicht mehr verlassen. Zudem blieb die Diskretion gewahrt und eine Ansteckung gefährlicher Geschlechtskrankheiten war ebenfalls ausgeschlossen. Gerade für die professionellen Damen bot sich hier also eine Möglichkeit, Geld mit Liebesdiensten zu verdienen, ohne dabei Körperkontakt zulassen zu müssen.
Heute ist der Telefonsex zwar noch nicht ausgestorben, aber nur noch ein kleiner Teilbereich der virtuellen Erotik.
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Die 1990er Jahre
In seinen Anfangszeiten war das Internet sehr textlastig. Nachdem es für die breite Bevölkerung zugänglich gemacht wurde, sollten noch einige Jahre ins Land gehen, um die virtuelle Realität in ihrer heutigen Form zu erreichen. Bezogen auf den Cybersex bedeutet das: Was man zuvor über das Telefon gemacht hatte, verlegte sich nun auf die Tastatur. Klar, dass dies eine gewisse Kreativität bei den Beteiligten erforderte. Denn stimmliche Nuancen lassen sich auf schriftlichem Wege eben nicht so leicht wiedergeben.
Die klaren Vorteile lagen jedoch in den geringeren Kosten und der größeren Anonymität: Einerseits musste man keine teure 0190-Nummer mehr wählen, um virtuelle Erotik zu erleben. Andererseits war die Hemmschwelle beim Login in einen Sex-Chat deutlich niedriger. Hier wird eben keine Rufnummer übertragen, denn die Chatpartner wissen voneinander nicht mehr als den gewählten Nickname.
Zudem zeigte sich ein weiterer Unterschied zum Telefonsex. Früher waren es zumeist Männer, die für virtuelle Erotik die kostenpflichtigen Dienste einer Dame in Anspruch nahmen. Nun konnten sich nun auch alle Frauen beteiligen. Also auch jene, die einfach Spaß an dieser Form der Erotik hatten, ohne damit Geld verdienen zu wollen.
Zwar gab es gleich zu Anfang bereits die ersten kostenpflichtigen Angebote für Cybersex, doch deren Anteil war noch relativ gering. Häufig bestand der zusätzliche Service bei solchen Angeboten darin, dass auf Wunsch auch erotische Bilder verschickt wurden. Oft per E-Mail, manchmal auch auf dem Postwege. Im zweiten Fall gehörten dann manchmal auch Videos oder getragene Wäsche mit zum Angebot.
Neu war auch, …
dass sich nun diverse Interessensgruppen zusammenfinden konnten, die ähnliche Vorstellungen von virtueller Erotik hatten. Neben allgemeinen Sexchat-Angeboten, in denen sich Menschen mit den verschiedensten Neigungen und Vorliebe tummelten, kamen schnell spezialisierte Chats auf.
Hier trafen sich dann beispielsweise Homosexuelle, Fetischisten oder Swinger. Zum ersten Mal konnten sich hier überregionale Gemeinschaften bilden, die sich nicht über einschlägige Magazine oder Swingerclubs organisieren mussten. Eine weitere frühe Facette der virtuellen Erotik waren erotische Computerspiele wie Strip Poker. Viele davon haben sich, natürlich in deutlich verbesserter Form, bis heute erhalten.
Zugegeben, die technischen Möglichkeiten virtueller Erotik steckten damals noch in den Kinderschuhen. Dennoch hatten viele Insider der Branche bereits klare Vorstellungen, wohin die Reise gehen würde. Bereits 1994 blickte Alfred Biolek in seiner Fernsehsendung „Boulevard Bio“ weit in die Zukunft. Dort stellte er ein Pärchen in Fernbeziehung vor, das sich selbst besondere Cybersex-Anzüge mit integrierten Sensoren und Vibratoren gebastelt hatte.
Mit der Idee waren die Beiden ihrer Zeit natürlich sehr weit voraus. Wie es noch 1997 im Bereich der virtuellen Erotik zuging, zeigt dieses Video.
Last, but not least: Auch die Pornografie erlebte mit der virtuellen Erotik eine wahre Renaissance. Durch das aufkommende Internet waren pornografische Darstellungen für jedermann verfügbar, oft sogar kostenlos. Den Weg zum Kiosk, wo man sich mit Schamesröte im Gesicht einschlägige Magazine besorgte? Den konnte man sich nun ganz einfach sparen.
Virtuelle Erotik in den 1990er Jahren
- Telefonsex
- Sexchat
- Strip Poker
- Neue Formen der Pornografie
Das neue Jahrtausend
Im Laufe der Jahre wurde das Internet immer schneller, grafisch aufwändiger und bot den Usern ständig neue Möglichkeiten.
Mit dem Start von komplexen, virtuellen Welten wie Second Life, das 2003 auf den Markt kam, wurde auch die virtuelle Erotik bunter und vielfältiger. Die User konnten nun als Avatar in die Rolle einer virtuellen Person schlüpfen, um dann entsprechende Abenteuer zu erleben. Klar, dass viele User es auch dort nicht beim Spazierengehen oder Ballspielen belassen wollten.
Man musste also nicht lange darauf warten, bis die Avatare in der virtuellen Welt heißen Sex in jeder nur denkbaren Form hatten.
Bis heute hat diese virtuelle Realität nichts von ihrem Reiz verloren, zumal sich das Spektrum ständig vergrößert. Auch die Funktionen verbessern sich und die einst pixelige Grafik erreicht mittlerweile fast naturrealistische Qualität. In einigen dieser Welten ist die virtuelle Erotik eine Randerscheinung, manche haben sich aber genau darauf spezialisiert. Dann wird an den Details natürlich nicht gespart.
Schon früh erkannte man, dass die User ihren Avatar nicht einfach nur per Tastatur und Maus steuern, sondern ganz körperlich dabei sein wollten. An der VR-Brille, Datenhandschuhen und Toys, die mit der virtuellen Handlung korrespondieren arbeiten kluge Köpfe also nicht erst seit heute.
Einen Massenmarkt konnten die ersten dieser Produkte noch nicht erreichen, sie ebneten aber den Weg für eine immer ausgereiftere Technik.
Parallel zu diesen faszinierenden neuen Welten entwickelte sich auch der „normale“ Cybersex weiter.
So ermöglichten die immer besser werdenden Webcams einen Videochat, bei dem sich die Cybersex-Partner gegenseitig sehen und beobachten können. Selbstverständlich beinhaltet ein solcher Videochat auch eine Audio-Funktion, die Chatpartner können also verbal miteinander kommunizieren. An dieser Entwicklung kam eigentlich kaum ein Chat-Anbieter mehr vorbei.
Virtuelle Erotik nach der Jahrtausendwende: Das war neu
- Audio Chat
- Video Chat
- Sex in der virtuellen Realität
- VR-kompatibles Sexspielzeug
Die Gegenwart
Mittlerweile hat jeder, der sich für virtuelle Erotik interessiert, einen bunten Strauß an Möglichkeiten zur Verfügung. Und der lässt sich ganz nach eigenem Geschmack zusammenbasteln. Die technischen Errungenschaften werden ganz unterschiedlich genutzt.
So hat der Cybersex „der ersten Stunde“ bis heute überdauert. Es wird kein besonderer technischer Schnickschnack benötigt, man kann wirklich an jedem Ort seinen Spaß haben und muss absolut nichts von sich preisgeben. Das Risiko, hierbei an Spinner und Fakes zu geraten, wird in aller Regel bewusst in Kauf genommen. Dafür kann man selbst ganz spontan und unvorbereitet loslegen. Es kümmert auch garantiert niemanden, wenn man dabei im Jogginganzug mitten im größten Chaos sitzt. Und wenn unbeteiligte Personen den Raum betreten, wird der Chat einfach über das bekannte X geschlossen.
Im Videochat bedarf die virtuelle Erotik gewiss einer etwas größeren Vorbereitung. Hierzu braucht es natürlich das notwendige Equipment, aber auch die Situation muss passen. Dann ist es auch sinnvoll, sich für den Cybersex etwas herauszuputzen. Wobei dieser Aspekt erfahrungsgemäß von den Damen besonders beherzigt wird, während die Männer ihn noch zu häufig ignorieren.
Selbstverständlich hat die Technik auch die virtuelle Erotik längst in einem Maße verändert, die noch vor einigen Jahren wie pure Science Fiction klang.
Die bereits erwähnten VR-Brillen und Toys – sogenannte Teledildonics, die die Cybersex-Partner zum Miteinander-Agieren nutzen, haben mittlerweile einen sehr hohen Standard erreicht. Ruckelfreie Animationen und eine kristallklare Stimmübertragung sind längst alltäglich. Und das Sexspielzeug, das den Cybersex erst so richtig geil macht, gibt es inzwischen in jedem gut sortierten Sexshop. Zu einem Preis, der für jeden erschwinglich ist.
Ein Blick in die Zukunft der virtuellen Erotik
Es ist davon auszugehen, dass sich virtuelle Erotik und reale Erotik einander immer weiter annähern werden.
Die VR-Brille wird die Menschen in Zukunft in Welten katapultieren, die von der Realität kaum noch zu unterscheiden sind.
Zusätzlich werden zur Umgebung passende Gerüche produziert, während ein mit Sensoren und Vibratoren komplett ausgestatteter Anzug den Körper stimuliert. Das Zusammenspiel mit einem virtuellen oder real existierenden Cybersex-Partner wird sich wie echter Sex anfühlen. Da es bereits heute zahlreiche käufliche Damen gibt, die für ihre erotischen Dienste keinerlei Körperkontakt mehr zulassen müssen, scheint ganz klar: Dieser Bereich wird sich noch deutlich ausweiten.
Das hat einerseits mit dem Schutz vor gewalttätigen Zeitgenossen und natürlich vor Geschlechtskrankheiten zu tun. Andererseits ist es aber auch für den Kunden praktisch, denn dieser muss für heiße Stunden gar nicht mehr das Haus verlassen. So ist auch zu erwarten, dass die Hemmschwelle bei der Inanspruchnahme erotischer Dienstleistungen deutlich sinken wird.
Übrigens:
Die virtuelle Erotik bietet auch dort neue Möglichkeiten, wo sie bisher schon aus rein technischen Gründen keine Rolle spielen konnte. Doch nun endlich können auch Polarforscher oder Raumfahrer ihre natürlichen Bedürfnisse befriedigen. Sei es mit der Partnerin beziehungsweise dem Partner, einer käuflichen Person oder einem rein virtuellen Gegenüber.
Gerade bei der für die nähere Zukunft geplanten Marsmission wird die virtuelle Erotik ihren Teil dazu beitragen, dass die Raumfahrer während des monatelangen Fluges keinen Weltraumkoller bekommen.
Die Option, sich zwischendurch einfach in eine virtuelle, aber besonders erotische Welt verabschieden zu können, wird dabei wohl die beste Medizin sein.
Bilder von Colourbox.com